An meine Tochter...
noch ungeboren hast Du ein Foto eines kleinen Mädchens aus der JVA Moabit geschickt... dein Wunsch: Ein kleines Mädchen.
Dein Kind erfüllte es Dir.
Du wolltest sie bewahren, sie behüten und beschützen... Deine Worte an das Ungeborene...
unwissend darüber, wieviel Kraft, Ausdauer, Rücksicht, Vorsicht und Weitsicht solch ein Erziehungsunterfangen bedeutet.
Für meinen Papa ...
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^Mein Papa wollte ein anonymes Grab
haben
ich achte und respektiere seinen Wunsch.
Dennoch möchte
ich gern mit denen, die meinen Papa kannten,
einen gemeinsamen Abschluss haben.
Eine gemeinsame Zeit der
Erinnerung. Einen Abschied für uns alle
und ich würde mich
freuen, wenn die Menschen, die meinen Vater auf seinen Lebenswegen
begleiteten, dies mit mir auf dem Golgatha Gnaden Friedhof in Berlin-
Reinickendorf
Holländerstr. 36
am
03.01.2013
um 13:00
erleben wollen.
Von Blumen und schwarzer Trauerbekleidung bitte ich abzusehen.
Eure S.^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
Heute ...
02.12.2012
Heute Papa, heute werde ich 11 Jahre alt.
Den letzten gemeinsamen Geburtstag feierten wir, da war ich Fünf.
Ich frag mich, warum dir Drogen wichtiger waren als ich
warum es dir nicht gelang, damit aufzuhören.
Ich wollte dich so gern sehen
immer und immer wieder
und Du?
Immer wieder kamen Ausflüchte
immer wieder wurde es verschoben ...
und Jetzt ?
Jetzt ist es zu spät.
Ich muss ohne dich gross werden
ohne dich leben
das kenn ich ja schon sehr lange.
Vermissen tue ich dich trotzdem
du warst ein Teil, ein sehr wichtiger Teil
und ich hätte so gern mit dir mehr erfahren
von dieser Welt
und auch über Dich
über deinen eigenen Weg.
Deine Tochter
S.
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03.01.2013
Trauerrede für den Vater des Kindes
eingespielte Lieder
An Tagen wie diesen ....
es war das Lied aus der letzten Mail vom Papa an sein Kind ...
Der Papa sprach eigentlich immer in Musikform
teilte seine Gefühle auf diese Art mit ....
Er hatte seine eigene Geschichte:
Wir haben sie versucht 1998 in Bad Reichenhall herauszufinden:
Er wurde adoptiert.
Seine Mutter war 40 bei seiner Geburt
Er kam erst ehelich zur Welt,
die Vaterschaft wurde nicht anerkannt vom Vater mit dem die Mutter
5 weitere Kinder hatte, 5 Halb- Geschwister
aber niemand wollte letztendlich mit ihm in Kontakt treten.
Die Ablehnung tat ihm weh
und die Worte , die die Frau vom Jugendamt , die seinerzeit seine Adoption vermittelte, die sie mir mit auf dem Weg gab, waren wie eine Weissagung und ich gab mein Versprechen.
Ich habe es versucht zu halten ...
doch Liebe muss auch angenommen werden wollen.
Danke.
Danke, dass Ihr hier seid
Gekommen seid um für uns da zu sein
Um seiner Tochter Beistand zu geben
vor allem Danke ich XY
der in den letzten vier Jahren der Papi wurde
den seine Tochter fragen konnte
der für sie da war
der ihre vielen kindlichen, neugierigen Fragen beantwortete
der die Lücke füllte, die wir bei unserem Gehen aus Berlin auftun mussten, um uns zu schützen.
Am Todestag des leiblichen Papas waren sich Beide einig : Wir sind Papi und Tochter füreinander.
Sie wussten nur noch nichts vom Tod des Papas
DANKE,
danke euch Allen, die ihr uns heute zeigt, wie wichtig wir Euch waren und sind
uns damit auch zeigt, dass ihr trotz allem auch versucht habt
den Papa zu verstehen ...
ihn versucht habt, mit in den Kreis aufzunehmen.
Danke an meine Kinder, an die grossen
Geschwister seines Kindes
Ihr habt eine Menge ausgehalten in der Zeit unseres Zusammenlebens ...
und dennoch habt ihr immer versucht ihm – dem Vati eurer Schwester einen Halt zu geben
ihn zu lieben
ihn zu schätzen
ihn zu achten.
Die unterschiedlichen Reaktionen kamen bei dem Tod des Vaters von Euch.
Und die Feststellung: Er war nicht nur der, der zerstörte
sondern auch der, der erklärte, der zeigte, der gab ...
Er war nicht nur gewalttätig , sondern auch ein liebevoller, zärtlicher, sensibler
Vater, auch für die Geschwister seines Kindes.
Danke auch an meine FreundInnen , das ihr hier seid, auch
um vielleicht Fragen zu beantworten , die seine Tochter stellt
stellen wird im Jetzt, im Hier, im Heute oder auch im Morgen ....
Für Eure Wahrheit und für Eure Begleitung in der Zeit,
als der Vater und ich noch versuchten
die Cuts, diese, seine Schnitte, seine Verletzungen, seine Wunden zu heilen.
Doch es bedarf wohl mehr dazu ...
mit dem CKS - dem Conny Kramer Syndrom – dem mit Liebe wird alles gut - Part gelang es jedenfalls nicht.
Es heisst: Aus dem Buch des Lebens kann man keine Seiten herausreissen
aber
es soll möglich sein, jeden Tag ein neues Kapitel zu beginnen ...
Warum es manchen Menschen nicht gelingt ...
die Frage wird sich mir nicht eröffnen ...
und ich werde es wohl auch nie verstehen lernen
ich muss es nur respektieren.
Zu Beginn unserer Freundschaft , dem Beginn einer zerstörerischen / abgöttischen Liebe unmittelbar nach unserem Kennenlernen schenkte er mir eine CD ... ein Lied widmete er uns
Don t let the sun go down on me
aber er kappte sich letzendlich selbst seine Sonne
genau vor fünf Jahren am 3.01.2008
wir waren Schuld dass er nicht .... arbeiten konnte, frei sein konnte, sich entfalten konnte
ich gab ihn frei .... niemals werde ich jemanden im Wege stehen, eine Last sein wollen ...
und das wovor sich der Vater am allermeisten fürchtete,
wovon er immer sprach
die Angst allein, im Krankenhaus, ohne Menschen die ihn lieben, zu sterben genau das traf ein.
Eine selbst erfüllende Prophezeiung.
Deshalb bitte ich Euch im hier und heute ...
Achtet auf Eure Gedanken,
denn sie werden zu Worten.
Achtet
auf Eure Worte,
denn sie werden zu Handlungen.
Achtet auf
Eure Handlungen,
denn sie werden zu Gewohnheiten.
Achtet
auf Eure Gewohnheiten,
denn sie werden Charakter.
Achtet
auf Euren Charakter,
denn er wird Schicksal.
Ein sehr inniger Wunsch
sein inniger Wunsch
war ein eigenes Kind, ein Mädchen
in vielen Briefen aus den drei langen Jahren in der Justizvollzugsanstalt war es zu lesen ...
es erfüllte sich ..
sein kleines Mädchen kam am 2.12. 2001 zur Welt
wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem geschlossenen Vollzug.
Doch auch diese Wunscherfüllung hielt ihn nicht ab von den Drogen
halfen ihm nicht, gaben ihm nicht die Kraft, den Alkohol stehen zu lassen ...
Sie war sein Sonnenschein , so nannte er sie auch
S. Süsse Sonnenschein
S. hätte den Papa noch gern gesehen
in der letzten Mail an unserem Hochzeitstag
bat sie ihn, sie vermisse ihn, liebe ihn
und er soll sagen, wann und wo sie sich sehen können ...
schrieb ihn in den fünf Jahren immer wieder an
bot ihm verschiedene Möglichkeiten an ...
sie war die Grosse, die Erwachsene in dieser Beziehung.
Doch immer wieder gab es Vorwände, warum es nun doch nicht ging
war es die Scham, die Erkenntnis, es nicht zu schaffen ......
hatte er Angst, ihr zu zeigen, dass er keine Heimat mehr fand ... ???
Warum werden wir nicht mehr erfahren.
Seine Tochter wächst von ihrer Geburt, ihrem Beginn an eigentlich ohne leiblichen Vater auf,
weil der Papa es nicht konnte? nicht schaffte? nicht wollte ????
ich weiss es nicht ...
Der Vater floh ... immer und immer wieder.
Doch überall wohin er floh, er nahm sich mit.
Weglaufen ist also nicht ....
Die Flucht vor sich
in die Drogen , in den Alkohol
die Ablehnung für sein Leben die Verantwortung zu übernehmen
zerstörten den Traum, unseren Traum
dabei wollten wir doch dieses Lieben versuchen :
Freiheit, grenzenlose Weite
keine
Schranken in unsrem Lebensraum
Und Sieger sein mit dem anderen an
der Seite.
Gescheitert ...
Wir– seine Tochter und ich - wissen es nicht, wie die letzten Jahre vom Papa waren
gesehen haben wir ihn das allerletzte Mal am 23.04.2008
Es hiess, er hätte Fuss gefasst
hiess, er würde regelmäßig gut angezogen mit einem Köfferchen unterwegs sein ...
Am Ende jedoch starb er einsam, obdachlos
und sein Hab und Gut bestand aus einer Isomatte, einem Schlafsack, einem Rucksack,
vielen wirren Zetteln mit Nummern und der Kleidung, die er trug .
Wir wissen nicht, wer ihm wichtig war und blieb
wissen nicht, was hätte helfen können
ahnen nur, wieso seine zerrissene, verhaftete Seele ...
immer abbrach und
die niemand, niemals wirklich erreichte.
Wir beide wissen nicht, ob wir jemanden vergaßen bei den Informationen, das er nicht mehr lebt
wir wissen nicht,
ob wir heute es alles richtig machen.
Was wir aber wissen ist,
dass wir ihm Frieden gönnen
hoffen, dass er dort wo er jetzt ist, es gut hat.
Manche Menschen fürchten sich mehr vor dem Leben
als vor dem Tod ...
fürchten sich mehr vor der Liebe
als vor der Einsamkeit.
Doch wir sind geboren um zu leben ......
Du bist jetzt an dem Ort, wo die Strassen keinen Namen haben.
Dort, wo dich deine Sehnsucht immer wieder hinzog.
Dort, wo wir uns vielleicht irgendwann einmal wieder sehen werden.
Where the streets have no name
Erstellt von Doris Mittelbach