Liebe Trauergemeinde, liebe Karin, liebe Familie Kanzler, liebe Familie Straßburger!
Wir sind hier zusammengekommen, weil wir Abschied nehmen müssen von Willi Kanzler. Wir tun das nicht nur mit großer Trauer und Mitgefühl, sondern auch mit unzähligen Fragen, Ängsten und Schuldgefühlen, denn Willi war so verzweifelt über sich und sein Leben, dass er ihm selbst ein Ende setzte;
Lasst uns beten zu unserem Gott:
Barmherziger Vater, lebendiger Gott, wir tragen hier einen viel zu jungen Mann zu Grabe, Willi, der an der Last, die ihm sein Leben aufbürdete, zerbrochen ist. So lass ihn nun aufgehoben sein bei dir und Frieden und Geborgenheit finden. Vergib ihm, wo er schuldig wurde und vergib uns, was wir ihm schuldig geblieben sind und was wir täglich einander schuldig bleiben.
Schenke uns deinen Geist der Liebe und Versöhnung, der uns wieder neue Kraft und Mut gibt, unser Leben weiterzuleben. Dies bitten wir dich durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn. Amen.
Immer wieder erleben Menschen tiefe Verzweiflung, dumpfe Angst und völlige Hoffnungslosigkeit.
Einige sprechen dann vom unabwendbaren Schicksal, einige verlieren die Sprache vor Schmerz, andere wenden sich an Gott, auch mit ihren Zweifeln, ihren Fragen und Klagen.
Der Tod von Willi war für uns alle ein Schock. Für uns, die wir Willi kannten, als Partner, als Verwandten, als Freund oder Bekannten, Arbeitskollegen oder Nachbarn.
Viele kannten Willi als netten, sympathischen und äußerst lebensbejahenden Menschen.
Aber wer war dieser Mensch wirklich, den wir hier und heute der Liebe Gottes anvertrauen?
Willi wurde am 12. Januar 1963 als einziges Kind der Eheleute Paula und Wilhelm Kanzler in München-Pasing geboren.
Schon früh, im Alter von 10 Jahren, verlor er seinen geliebten Vater und wie er immer betonte besten Kumpel, bei einem tragischen Autounfall. Das hat Willi nie verwunden.
Obwohl seine Mutti alles für ihn tat bis zu ihrem eigenen Tod, war Willi zeitlebens auf der Suche nach einem Vaterersatz.
Willi liebte die sportliche Betätigung. Als Kind und Teenager spielte er Fußball im Verein, er radelte mit seinem E-Bike, wanderte in seinen geliebten Bergen, fuhr Ski, ging Angeln und Tauchen, war ein guter Stockschütze. Er liebte die Natur und hat vor 4 Wochen noch einen Nistkasten im Garten angebracht.
Willi führte 15 Jahre eine Ehe mit Karin, aus der keine Kinder hervorgingen. Die letzten Monate lebten wir zusammen mit seinem Hund Benny in Manching. Meine Kinder schenkten uns im Dezember eine Woche Fuerteventura, damit wir noch mal Kraft tanken können. In dieser einen Woche gelang es Willi den Krebs auszublenden, hatte unbändigen Spaß mit einem Jeep durch unwegsames Gelände zu fahren und wir verbrachten noch einmal sehr glückliche und unbeschwerte Tage. Das vergangene Weihnachtsfest und seinen 53. Geburtstag im Januar verbrachten wir harmonisch und gesellig im Kreise meiner Familie, die auch seine Familie geworden war. All diese schönen Erlebnisse mit ihm werde ich stets in guter Erinnerung behalten.
Alle, die hier sind, haben eine Geschichte mit Willi gehabt, eine längere oder kürzere, eine eher oberflächliche oder sehr intensive.
Wir haben die Daten seines Lebens vor uns wie viele kleine Puzzle-Teilchen. Im Moment ist noch niemand imstande, aus diesen Teilchen ein Bild zu legen, zumindest kein abgeschlossenes. Die Entscheidung von Willi, sich das Leben zu nehmen, erfüllt uns mit Unverständnis, vielen Fragen und einem großen Gefühl der Hilflosigkeit.
Denn der Tod ist das, wovor sich viele Menschen am meisten fürchten. Natürlich kennen auch wir Phasen in unserem Leben, wo nichts so läuft wie es soll und wir eher frustriert und depressiv als gut drauf sind. Aber dass ein Leben so unerträglich werden kann, dass der Tod als das kleinere Übel erscheint, ist in der letzten Konsequenz schwer zu akzeptieren.
Wenn der erste Schock vorüber ist, fangen wir an, nach Gründen zu suchen. Weshalb tut ein Mensch so etwas? War die Angst und Verzweiflung stärker als alles andere?
Willi hatte Krebs. So wie schon 16 Jahre zuvor. Ein Rezidiv. Dieses Mal konnte man nicht mehr mit Chemo und Bestrahlung behandeln. Dieses Mal stand eine OP bevor, die ihm den Schließmuskel nicht erhalten konnte. Mit diesem Gedanken konnte und wollte er sich nicht anfreunden. Seit der Diagnose im November letzten Jahres suchten wir verzweifelt aber leider vergebens nach einer Behandlungsmethode, die ihm diese OP ersparen würde.
Manches lässt sich bei Willi also nachvollziehen. In welchem Ausmaß er sein Leben jedoch für ausweglos gehalten hat, war von außen nicht abschätzbar. Wir können in keinen Menschen hineinschauen. Der andere Mensch bleibt immer ein Geheimnis. Dessen innerstes Wesen, das, was wirklich in ihm vorgeht, bleibt uns letztendlich verschlossen.
Wir können in einem Menschen nicht lesen, wie in einem aufgeschlagenen Buch. Wir erkennen den anderen nur, soweit er sich zu erkennen gibt.
Es ist tröstlich zu wissen, dass einer da ist, der unser Herz kennt und das, was uns in unserem Tiefsten bewegt. Dieser eine- das ist Gott. Gott kennt die geheimsten Beweggründe unseres Denkens und Handelns. Das bedeutet auch, dass Gott unser unerlöstes Wesen wahrnimmt und wir ihm nichts vormachen können. Er kann uns befreien.
Die Frage, die am meisten zusetzt und plagt: Sind wir schuld an Wiilis Tod? Haben wir ihn unsere Zuneigung zu wenig spüren lassen? Uns zu wenig bemüht, ihn zu verstehen? Hätten wir es irgendwie verhindern können?
Mit menschlichen Erklärungsversuchen sind diese Fragen nicht zu beantworten. Und es wird sich nie letztendlich klären lassen, ob es möglich gewesen wäre, Willi zu helfen. Denn dafür hätte er selbst auch bereit sein müssen, sich helfen zu lassen.
Gott will, dass wir weiterleben können und nicht unter dem Vergangenen, was nicht mehr zu ändern ist, leiden. Gott befreit uns von unseren Lasten, indem er uns vergibt. Im gleichen Atemzug sind auch wir aufgefordert, zusammen zu halten und uns nicht gegenseitig Schuld vorzurechnen oder Vorwürfe zu machen, sondern die Schwierigkeiten der Zukunft gemeinsam anzufassen und zu lösen. Darum bitten wir ja auch in jedem Vaterunser: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Ich möchte auch auf das zu sprechen kommen, was WILLI wohl suchte, wonach er sich sehnte.
Willi hatte hohe Ideale und hohe Ansprüche an sich selbst und andere, wahrscheinlich zu hoch für einen Menschen.
Er legte sehr viel Wert auf sein Äußeres und auf Markenprodukte. So stand er auch voll hinter den hochwertigen Artikeln seines Arbeitgebers.
Er hatte Angst vor der Zukunft, davor, erneut alles durchleiden zu müssen, was er vor 16 Jahren bei seiner ersten Krebserkrankung bereits so schmerzvoll durchstehen musste.
Willi lebte, teilweise den Kinderschuhen nicht entwachsen, in seiner eigenen Welt, mit seiner eigenen Wahrheit. Ein gewisser sturer Steinbock-Schädel erschwerte oftmals die Versöhnung mit jenen Menschen, mit denen er sich entzweit hatte.
Willi sprach oft davon, dass seine bereits verstorbenen Familienangehörigen ihn holen wollen. Er sehnte sich nach etwas, was er hier auf Erden anscheinend nicht finden konnte.
Und so wollen wir Willi jetzt der Liebe Gottes anbefehlen in der Gewissheit, dass er da, wo er sich jetzt befindet, glücklich ist und das Heil, welches er hier so sehr suchte, ihn nun birgt und umfängt.
Lieber Willi, ich liebe dich. Gehe hin in Frieden.
Oktober 2016
Es sind 7 Monate ins Land gegangen - 220 Tage ohne DICH! Vieles hat sich seitdem geändert. Ich wohne nicht in unserem Nest, arbeite wieder, jedoch nicht an MEINER Schule, ... Vieles hat sich geändert - meine Gefühle nicht! Ich vermisse dich und noch immer spüre ich diesen Schmerz in mir. Es heißt, die Zeit heile alle Wunden. Die Realität sieht anders aus. In Liebe dein Stern
5. März 2017
1 Jahr. Rückblickend schnell vergangen - und doch manchmal so schwer beladen. So wie die letzten Tage. Die Erinnerungen kommen und gehen. Die Lücke wird an solchen Tagen besonders bewusst.
Ich wünsche dir alles Gute. In Liebe dein Stern
1. November 2017, Allerheiligen
20 Monate sind vergangen seit du von uns gegangen bist. Alles erscheint so unwirklich, so weit weg. Und doch bist du mir immer noch so nah, in meinen Gedanken. Heute vor 3 Jahren machten wir unsere wundervolle Wank-Wanderung durch teilweise verschneite Berglandschaft. Ich sehe dich auf der Bank dort sitzen, als sei es gestern gewesen. Erinnerungen wie diese kann mir niemand mehr nehmen.
In Liebe dein Stern
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