Das war Marita …
Marita Haenel, geb. Junge, wurde am 21. Juni 1944 als Marita Kirejew in Posen geboren. Ihre Vorfahren stammen aus Russland, ihre Mutter, Irina Kirejew wurde am 06. November 1920 in Moskau geboren. Deren Eltern hatten in Moskau ein Schmuckgeschäft. Die Familie Kirejew floh ihr Leben lang vor dem Kommunismus. Und so kam Marita mit ihrer Mutter und Großmutter über das Balticum schließlich nach Tirschenreuth in der Oberpfalz. Dort erhielten sie von einer wohlhabenden Familie ein kleines Holzhäuschen als Bleibe zugewiesen. Zu dieser Familie bestehen auch heute noch freundschaftliche Kontakte und Gerda Lütke wurde viel später die Patentante von Tochter Nina Gromhaus.
Da Maritas Mutter Irina Kirejew tagsüber als Dolmetscherin bei der amerikanischen Armee arbeitete, wurde Marita von ihrer Großmutter erzogen. Ihre Großmutter sprach nur russisch, also sprach auch Marita bis zu ihrem 6. Lebensjahr nur russisch. Das ergab auf der Grundschule in Tirschenreuth erhebliche Probleme und ihre Mutter entschloss sich, sie auf ein Internat der Diakonie von Neuendettelsau zu geben. Hier lernte sie Bärbel Junge kennen, die beiden Mädchen kamen sich schnell näher und wurden enge Freundinnen.
Und dann schmiedeten die beiden Mädchen einen Plan. Bärbel hatte einen Vati ohne Frau und Marita eine Mutti ohne Mann. Es wäre doch gelacht, wenn man die beiden nicht zusammenführen könnte. Frei nach dem „Doppelten Lottchen“ führten die beiden Mädchen ihre Elternteile mit viel List vor allem in den Ferien zusammen. Und so kam es nicht von ungefähr, dass Kurt Junge die Irene Kirejew am 10. Januar 1959 heiratete. Am 18. August 1959 erteilte Kurt Junge dem Mädchen Marita seinen Namen und damit hieß sie Marita Junge.
Man wohnte in einem Siemens-Häuschen in Baiersdorf und Marita fühlte sich in der neuen behüteten Familie sehr wohl und verarbeitete langsam die trotz allem sehr unschönen Erlebnisse in Neuendettelsau. Viel half ihr dabei ihre Freundin Bärbel, die ja jetzt ihre Schwester war. Beide gingen in die gleiche Klasse der Forchheimer Realschule.
Im Jahr 1962 zog man nach Erlangen in die Aufseßstraße. Der Berufswunsch von Marita, nämlich Architektin zu werden, ließ sich nicht erfüllen. Dazu hätte sie ein Jahr auf dem Bau arbeiten müssen und das ließ ihr Papa nicht zu. Also machte sie bei Frieseke & Hoepffner eine Lehre zur Technischen Zeichnerin.
Und jetzt kommt langsam ein gewisser junger Mann mit Namen Eike Haenel ins Spiel. Sie lernte ihn auf einem Ball der Schlesier kennen. Und es funkte. Bei beiden. Und fortan waren sie unzertrennlich. Er war bei ihren Eltern nicht gerade angesehen, denn er führte sie nicht nur zum Fußballspiel, sondern zeigte ihr auch das Nachtleben von Erlangen. Soweit man damals von einem Erlanger Nachtleben überhaupt sprechen konnte. Aber er brachte sie auch in die Erlanger Pommernjugend, deren Vorsitzender er schon damals war. Wir schrieben das Jahr 1963 als man beschloss, den weiteren Lebensweg gemeinsam zu gehen. Die Eltern waren davon nicht gerade erbaut. Trotzdem hielt Marita vorbehaltlos zu ihm. Nachdem mit ihren Eltern keine Einigung zu erzielen war, beschlossen die beiden, den Weg ein wenig zu beschleunigen. Am 03.10.1964 wurde mit Rückenwind geheiratet und am 27.03.1965 schon der Stammhalter Kai Haenel geboren. Man konnte noch nicht wissen, dass ihr Hochzeitstag, der 03.10., über 25 Jahre später zum Feiertag erklärt wurde.
Die Wohnungsnot in Erlangen war damals schon sehr ausgeprägt. Und so lebte man zwar ausgesprochen glücklich, aber nur in einer 1-Zimmer-Wohnung in einem Hochhaus an der Dechsendorferstraße. Dieses Glück wurde urplötzlich getrübt, als der kleine Kai schwer erkrankte. Er musste für lange Zeit in die Klinik. Um welche Krankheit es sich letztendlich handelte, konnte nicht genau geklärt werden. Marita pumpte jeden Tag Milch ab und brachte sie täglich in die Klinik. Die Ärzte sagten später, das hätte sein Leben gerettet.
Sein Vater, Eike Haenel, erhielt eine Anstellung bei der Firma Siemens und damit endlich auch eine 3-Zimmer-Wohnung. Am 29.01.1968 wurde Sohn Uwe geboren und das Glück der beiden war vollkommen. Das Verhältnis zu Irene und Kurt Junge hatte sich grundlegend verbessert. Wahrscheinlich wurden dem ehemals ungeliebten Schwiegersohn die zwei Jungen positiv angerechnet, die in eine nur von Mädchen geprägte Familie hineingeboren wurden. Uwe war in seiner Kindheit ein ausgesprochen niedlicher Kerl, von dem eine Reihe von Anekdoten überliefert ist.
Marita Haenel übernahm die Erziehung der Kinder und verzichtete auf eine eigene berufliche Karriere. Und die Kindererziehung übernahm sie mit großem Erfolg.
1973 bekam ihr Mann eine Stelle bei der Stadt Erlangen. Er war zunächst zuständig für Veranstaltungen in Erlangen. Das bedeutete häufige häusliche Abwesenheit in den Abendstunden und an den Wochenenden. Sie war deshalb mehr oder weniger auf sich alleine gestellt. Die Kindererziehung erledigte sie bravourös, auch wenn sie wirklich nicht einfach war. Beide Jungen machten ihr Abitur und studierten.
Am 30.11.1973 wurde das Nesthäkchen und Tochter Nina geboren. Neben der großen Freude – endlich auch ein Mädchen -, wurden die Aufgaben für Marita noch intensiver. Hinzu kam für alle die Mitwirkung in verschiedenen Gruppen der Pommernjugend, in der Tanzdeel „Rega“ und dem Tanz- und Folkloreensemble „Ihna“. Fuhr sie 1972 noch alleine mit auf die Tournee durch Kanada, so waren 1976 durch die USA schon Kai und Uwe dabei. 1977, 1978 durch Polen und 1979 durch Südafrika waren es dann schon alle drei Kinder. Um beurteilen zu können, was das an zusätzlicher Arbeit bedeutete, muss man wohl einmal dabei gewesen sein. Jede Tänzerin und jeder Tänzer hat bis zu 5 Trachten. Wenn wir nur von 4 Trachten ausgehen, hatte Marita bei jeder Tournee für rund 16 Trachten zu sorgen, denn sie selbst tanzte ja auch mit. Und mit einer Hilfe ihres Mannes war nicht zu rechnen, denn er war der Leiter der Truppe.
Das Jahr 1975 war ein besonderer Einschnitt in ihrem Leben, denn die Familie begann, in Herzogenaurach ein Einfamilienhaus zu bauen. 1976 war der Einzug. Zwar waren im Haus noch keine Türen und Treppen vorhanden, auch sonst fehlte noch so einiges und die Baufirma war pleite. Aber nach und nach wurde doch noch ein richtiges Haus daraus und es wurde für nahezu 4 Jahrzehnte der Mittelpunkt der Familie. Alle 3 Kinder haben eine vernünftige Berufsausbildung bekommen, Kai wurde Rechtsanwalt, Uwe Diplom-Sportwissenschaftler und Nina arbeitet bei der Firma Schaeffler im Betriebsärztlichen Dienst. Daran hat Marita einen großen Anteil. Kai ist heute mit Inez verheiratet und Nina mit Sascha. Marita hat drei Enkelkinder, Lea, Philip und Jana, die sie sehr geliebt hat. Nur Uwe ist noch Single. Er kümmert sich jedoch rührend um die Kinder seiner Geschwister und ist der Pate von Lea und Jana.
Als ihre Kinder aus dem Gröbsten heraus waren und ein gewisses Alter erreicht hatten, wurde Marita wieder berufstätig. Sie arbeitete als Fotofachverkäuferin und als Einrichtungsberaterin. Sie arbeitete bis zu ihrer Pensionierung.
Nach der gemeinsamen Pensionierung begann die Suche nach einem Altersruhesitz. Die Richtung war klar, es sollte die Ostsee sein und möglichst Pommern. So fand man auf der Insel Rügen ein Objekt, entschloss sich aber für einen Neubau in Zinnowitz auf der Insel Usedom. Das Grundstück war schon gekauft, die Baugenehmigung erteilt und das Haus in Herzogenaurach stand kurz vor dem Verkauf. Und als die Unterschriften dann wirklich anstanden, fragte Marita ihren Mann: „Sollen wir wirklich?“ Der hatte nur auf eine derartige Reaktion gewartet. Man glaubt ja nicht, wie nahezu 50 Jahre in Franken prägen. Und als dann noch die zwei Enkelmädchen kamen und baten „Omi und Opa bitte zieht nicht weg“, war die Sache entschieden. Das Grundstück in Zinnowitz wurde wieder verkauft und der Verkauf des Hauses in Herzogenaurach rückgängig gemacht. Stattdessen kaufte man eine Ferienwohnung im Ostseebad Trassenheide, die sich durch die Vermietung nahezu selbst finanzierte. Immer, wenn sie nicht vermietet war, lebte man im Ostseebad Trassenheide. Aber die Suche nach einer schönen Wohnung auf der Insel Usedom wurde fortgesetzt.
Eine neue Dimension bekam die Geschichte als Schwiegersohn Sascha signalisierte, gemeinsam ein Haus in Franken erwerben zu wollen. In Lonnerstadt-Ailsbach hatte er auch bald ein geeignetes Objekt gefunden. Im Erdgeschoß wohnten Marita und Eike, im 1. Stock Nina und Sascha Gromhaus und unter dem Dach die beiden Enkelmädchen Lea und Jana. Das Haus in Herzogenaurach wurde nun wirklich verkauft. Im Ostseebad Heringsdorf – ein ausgesprochener Glücksgriff – fand sich ein kleiner Bungalow mit Grundstück, fast direkt an der Promenade, nur 70 m vom Strand entfernt.
In diesen Bungalow verliebte sich Marita auf Anhieb und schmückte ihn überall mit bunten, blühenden Blumen. Die Blütenpracht wurde allgemein bewundert. Man hatte zwei eigene Strandkörbe am Strand und sie genoss die Ostsee in vollen Zügen. Sie, die sich mit Freundschaften immer etwas hart tat, fand dort gleich neue Freunde. Und sie wollte auch gar nicht mehr weg aus dem Ostseebad Heringsdorf, nicht einmal kurz in das neue Haus in Franken, in Lonnerstadt-Ailsbach im Steigerwald. Das berichteten übereinstimmend ihre neuen Freunde und Nachbarn aus Heringsdorf. Hier im kleinen Bungalow an der Ostsee wollte sie alt werden und hier wollte sie ihren Lebensabend beschließen.
Nur ein ganzes Jahr war ihr in ihrem Bungalow vergönnt. Ein Jahr, das sie aber sehr ausgekostet hat. Hier empfing sie ihre Freunde aus Erlangen und Herzogenaurach. Hier half sie ihrer neuen Freundin Beate aus dem Ostseebad Karlshagen, die ihren an Krebs erkrankten Mann bis zum bitteren Ende pflegte. Für Beate hatte Marita immer Zeit. Ein besonderer Höhepunkt des Jahres war jedoch der gleichzeitige Besuch ihrer drei Enkelkinder Lea, Philip und Jana, die länger als 8 Tage bei ihr blieben. Selten hat man Marita so glücklich gesehen, wie in diesen Tagen.
Marita starb vollkommen überraschend. Am 03.10.2013 feierte man noch gemeinsam den 49. Hochzeitstag. Die „goldene Hochzeit“, auf die sie sich so freute, war ihr nicht mehr vergönnt. Wegen des „Tages der Heimat“ am 06.10.2013 war man aus Heringsdorf zurückgekommen. Sie half dabei nach Kräften. Am 08.10.2013 feierte Eike seinen 75. Geburtstag. Sie bewirtete den ganzen Tag die zahlreichen Gäste und bekochte die ganze Familie und eine Delegation der Tanz- und Speeldeel „Ihna“ mit ihrem berühmten Sauerbraten.
Am 09.10.13 abends sagte sie, ihr wird schlecht. Eike empfahl ihr, doch gleich zu Bett zu gehen. Was sie auch tat. Um 0:45 Uhr ging auch Eike zu Bett. Sie wurde kurz wach und sagte, ihr geht es schon viel besser. Als Eike sie am 10.10.13 um 9:30 Uhr wecken wollte, war sie für immer eingeschlafen. Ihr Gesicht war vollkommen ruhig und entspannt, die Augen geschlossen. An sich ein Tod, wie sie ihn sich immer gewünscht hat. Nur viel, viel zu früh. Für alle, für ihre Freunde und Bekannte, für ihre Enkelkinder und ihre ganze Familie, aber vor allem für ihren Mann. Denn beide wollten sie gemeinsam in ihrem kleinen Bungalow direkt an der Ostsee in Pommern alt werden. Das war ihnen nicht vergönnt.
Marita war eine bescheidene, ruhige und stille Frau. Ihr Lebensmittelpunkt waren immer ihre Kinder und ihre Familie. Für deren Wohlergehen hat sie sich immer eingesetzt und gelebt. Später kamen entscheidend die Enkelkinder hinzu. Echte Freundschaften hatte sie in ihrem Leben wenige. Dazu war ihr Anspruch an eine Freundschaft zu hoch. Erst mit zunehmendem Alter sollte sich das ändern. Sie öffnete sich und gewann viele neue Freunde hinzu.
Das einzige Problem ihres Lebens konnte sie mit Stärke, mit Willenskraft und mit der Hilfe ihrer Tochter, deren Mann Sascha, ihrem Mann Eike und der Selbsthilfegruppe Heureka erfolgreich bestehen. Sie hat uns vorgelebt, wie man auch unter schwierigen Umständen ein glückliches Leben führen kann.
Sie hinterlässt eine Lücke, die wir mit unseren Erinnerungen und Gedanken füllen wollen, die wir aber niemals schließen können. Immer sind irgendwo Spuren ihrer Liebe und ihres Lebens: Gedanken, Bilder, Augenblicke und Gefühle. Sie werden uns immer an sie erinnern und sie nie vergessen lassen. Einer der einflussreichsten Philosophen der christlichen Spätantike Aurelius Augustinus sagte bereits um 350 nach Christus:
„Die wir geliebt und die uns sterben, sind nicht mehr an dem Ort, wo sie lebten und wirkten – aber sie sind überall, wo wir sind.“
Und so wollen wir es in unserer Familie halten!
Created by Eike Haenel